Bevor es wie im vorigen Blog-Artikel versprochen um das Spitzbergen-Rentier geht, gehe ich noch auf Vor- und Nachteile meiner Reisezeit vom 9. bis 18. Juni ein.
Gleich am ersten Abend bot die Abfahrt von Longyearbyen durch den Isfjorden eine sehr beeindruckende Landschaft. Wir passierten faszinierende Gesteinsformationen und besonders der Kontrast zwischen dem dunklen Gestein und den Schneeresten war fotografisch sehr spannend. Damit sind wir auch schon beim größten Vorteil meiner Reisezeit relativ früh im Jahr - es lag noch relativ viel Schnee.
Die Muster die heller Schnee und dunkles Gestein bilden eignen sich hervorragend, um Tiere klein in einem interessanten Umfeld darzustellen. Zudem besteht zu dieser Zeit noch die Chance, dass Niederschlag als Schnee und nicht als Regen fällt (siehe Eisbären-Artikel - Spitzbergen Teil 1).
Ein weiterer Vorteil der ersten Juni-Hälfte ist, dass viele Vögel gerade erst auf Spitzbergen angekommen sind und noch aktiv mit Balz und Reviersuche beschäftigt sind. Dadurch sind sie noch auffällig und leicht zu finden.
Für botanisch Interessierte macht es dagegen Sinn etwas später im Jahr Spitzbergen zu besuchen. In der zweiten Juni-Dekade blühte lediglich der Gegenblättrige Steinbrech (Saxifraga oppositifolia). Für weitere Farbtupfer in der kargen Landschaft sorgte die Zierliche Gelbflechte (Rusavskia elegans).
Auch wer eine Umrundung des Archipels anstrebt sollte deutlich später fahren, denn in der zweiten Juni-Dekade waren aufgrund der Eisverhältnisse lediglich der Westen und Nordwesten per Schiff erreichbar.
Als größter Nachteil kann sich im Juni allerdings das Licht erweisen. Selbst um Mitternacht steht die Sonne noch so hoch, dass man an sonnigen Tagen 24 Stunden schlechtes Licht hat. Man ist zum Fotografieren also auf bedeckten Himmel angewiesen. Auf meiner Tour hatte ich diesbezüglich Glück, lediglich 3 der insgesamt 14 Touren waren aufgrund von zu viel Sonne ein fotografischer Totalausfall... leider traf es dabei die einzige Elfenbeinmöwe und den Besuch einer Walross-Kolonie. Dadurch bot sich aber immerhin die Gelegenheit Landschaft und Tiere ohne den fotografischen Druck zu genießen:-)
Und nun wie versprochen zum Spitzbergen-Rentier (Rangifer tarandus platyrhynchos). Es handelt sich dabei um eine kleine, auf dem Spitzbergen Archipel endemische Unterart des Rentiers.
Die genaue Populationsgröße ist nicht bekannt, wird aber auf ungefähr 10.000 Tiere geschätzt. Die Männchen werden etwas größer als die Weibchen. Das Geweih der Männchen entwickelt sich von April bis Juli und die Basthaut wird im August abgestreift. Im frühen Winter verlieren sie das Geweih.. Die Weibchen tragen dagegen ganzjährig ein Geweih.
Harte Winter können zu starken Bestandseinbrüchen der Rentierpopulation führen. Besonders problematisch sind Phasen von Tauwetter mit anschließendem Frost. Dadurch bildet sich über Moosen und Flechten eine Eisschicht, die die Tiere nicht mit ihren Hufen aufbrechen können.
Spitzbergen-Rentiere werden im Schnitt 10 Jahre alt. Haupttodesursache ist Verhungern. Da die Tiere die spärliche Nahrung mühsam vom felsigen Grund abknabbern müssen, sind ihre Zähne nach dieser Zeit soweit abgenutzt, dass kaum noch Nahrung aufgenommen werden kann.